Als meine Mutter, die als Geschäftsfrau Zeit ihres Lebens alle Bankgeschäfte tätigte, diese plötzlich meinem Vater übertrug, wunderten wir uns. Als sie beim Lesen von Liebesromanen dicke Tränen vergoss, staunten wir, denn emotionale Regungen waren eigentlich nicht ihr Ding. Als sie immer vergesslicher wurde, schrieben wir dies dem Alter zu. Doch den Tag im Frühjahr letzten Jahres, als sie mich panisch anrief und mit ihrem Auto den Weg nicht mehr nach Hause fand, den werde ich nie vergessen. Wir fanden sie und konnten sie sicher nach Hause begleiten, aber nun mussten wir der Realität ins Auge schauen. Was wir befürchteten, bewahrheitete sich. Bei meiner Mutter wurde eine fortgeschrittene Demenz diagnostiziert.
Ich informierte mich so gut wie möglich über die Krankheit, um auf alles Weitere vorbereitet zu sein. Worauf ich nicht vorbereitet war, mein Vater lehnte die Tatsache gänzlich ab, dass seine Frau krank war und sich die Verschlechterung ihres Zustandes nicht aufhalten lassen würde. Zu Beginn war ich wütend auf ihn, nach und nach verstand ich aber, dass sein unbekümmerter Umgang mit seiner Frau das Beste war, was ihr passieren konnte. Ich ziehe meinen Hut vor ihm, denn er war es, der sich an die NeuroAktiv-Familienhilfe wandte, nachdem er sich von den Ärzten nicht genug unterstützt sah. Ich begleitete meine Eltern zu ärztlichen Terminen und musste mehrmals miterleben, dass die Fragen meines Vaters, wie er mit meiner Mutter umgehen solle, nicht zu seiner Zufriedenheit beantwortet wurden. Es war für ihn kaum auszuhalten, miterleben zu müssen, wie sich seine Frau immer weiter von ihm entfernte und ihn zuletzt auch körperlich bedrohte.
Bei der NeuroAktiv-Familienhilfe wurde mein Vater sehr gut aufgefangen. Hier bekam er den zeitlich großzügigen Gesprächsrahmen, welchen er dringend benötigte. Hier wurden ihm Fragen beantwortet, auf die auch ich keine Antwort gewusst hätte. Und das Allerwichtigste, hier traf er auf Gleichgesinnte. In Gesprächskreisen, bei einer Tasse Kaffee, konnte er sich austauschen, während meine Mutter liebevoll betreut wurde.
Inzwischen haben wir für meine Mutter ein Pflegeheim gefunden, da mein Vater die Situation allein nicht mehr bewältigen konnte. Aus dem Kontakt zu den Menschen, welche mein Vater durch die Gesprächskreise gefunden hat, haben sich Freundschaften entwickelt. Und in schweren Stunden findet er bei der NeuroAktiv-Familienhilfe immer noch psychologische Begleitung, wofür ich unendlich dankbar bin.